October 1982
1.Wiener Kindergalerie
Ausstellung 17. Oktober bis 21. November 1982
Gottfried Helnwein

WUNDERKINDER?
Künstler - und ihre Kinderzeichnungen

Ich habe in diesem Leben nur ein wirklich grauenhaftes Erlebnis gehabt - und das war meine Schulzeit. Die ganze Kindheit hindurch habe ich immer hören müssen: "Ohne Matura (Abitur) bist du nichts - wenn du es zu etwas bringen willst, mußt du die Matura haben, dann stehen dir alle Wege offen!" Ein noch stumpfsinnigeres Axiom kann ich mir gar nicht vorstellen. Die Schule hat offensichtlich die Aufgabe, alle Spuren von Individualität, Spontaneität und Sinnlichkeit auszumerzen. Schule, das ist ein Dauerquiz, ein Albtraum von einem nie endenden "Dalli, dalli"! Wichtig ist nur, unzählige, völlig belanglose und nicht zusammenhängende Daten zu speichern, um sie bei Prüfungen herunterratschen zu können. Danach darf man alles wieder vergessen, Hauptsache, man kriegt gute Noten.

Alles, was ich wirklich im Leben brauche, das Lesen, das Schreiben und das Rechnen, habe ich in der Volksschule gelernt, bei den Schulbrüdern - ganz ohne moderne Pädagogik. Dort habe ich sogar im Zeichnen etwas gelernt. Im Religionsunterricht haben wir Herzen gezeichnet - mit Flügeln und schwarzen Flecken, die in den Beichtstuhl hineinfahren und auf der anderen Seite wieder weiß herauskommen. Das ist doch phantastisch!

Oder - "das Auge Gottes"! Damals hat jeder in unserer Klasse gezeichnet wie der Günther Brus. Danach auf dem Gymnasium war alles Scheiße. Im Englischunterricht mußten wir 4 Seiten aus "Ann and Pat" auswendig lernen und in Bildnerischer Erziehung eine Wunderblume zeichnen. Ich hasse aber Wunderblumen, und so habe ich den Donald Duck als Kapitän gezeichnet, wie er gerade Tick, Trick und Track anschreit. Worauf mein "Zeichenprofessor" meine Eltern vorgeladen hat, um ihnen mitzuteilen, wie gefährlich es ist, Witzhefte nachzuzeichnen.

Damit hatte er jedoch nicht recht, denn die einzigen Lehrer, von denen ich wirklich etwas gelernt habe - nicht nur künstlerisch, sondern auch philosophisch -also fuer das ganze Leben sozusagen, waren Walt Disney und
Carl Barks und Donald Duck. Sie waren immer für mich da, und wenn ich das Gefühl hatte, niemand versteht mich, sie haben mich immer verstanden. Und wenn ich traurig war und einsam, sie haben mich wieder aufgerichtet und mir wieder Mut gemacht, und gemeinsam mit Tick, Trick und Track habe ich gesungen: "Wir pfeifen auf Pomade, auf Seife, Kamm und Schwamm, wir bleiben lieber dreckig und wühlen uns im Schlamm!"

 

http://www.helnwein.de/texte/local_texts/artikel_168.html